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Äss-Bar: Z’Beschte vo geschter

Sandwiches, Brote, Salate und süsse Stücke für jeweils 2-3 Franken: Es sind nur ein paar Treppenstufen, die runter ins Schlaraffenland der «Äss-Bar» führen. An der heutigen Zibelemärit-Aktion kann man sich bei Suppe und Glühmost davon überzeugen, wie frisch das Essen von gestern ist. Von Aline Jordi

Während den Sommerferien ersetzte die Äss-Bar quasi meine Küche: Etliche Quiches, Gemüsekrapfen, belegte Brötchen, Salate und Törtchen fanden über einen Umweg von der Marktgasse 19 zum Aare-Picknick in meinen Mund. Nicht nur der Magen, auch das Portemonnaie erfreute sich der üppigen Kost, die fast nichts kostet. Seit rund 9 Monaten gibt es die Äss-Bar in einem Kellerlokal mitten in der Stadt, wo Backwaren und Patisserie vom Vortag angeboten werden. Morgens um 6 Uhr startet der Fahrer und liefert bis um 8 Uhr die erste Ladung aus den mittlerweile 12 Bäckereien in und um Bern, die beim Engagement gegen Food Waste mithelfen. Laut Filialleiterin Claudia kommen nächste Woche zwei weitere Bäckereien hinzu. Es sei nicht schwierig gewesen, die Leute für das Konzept zu gewinnen – die meisten sind froh, wenn ihre Qualitätsprodukte nicht im Abfall landen müssen.

Während Claudia und Mitarbeiterin Nina die Theke einräumen, sammelt der Fahrer die zweite Ladung ein. So finden sich vor dem Mittag gute Stücke vom Ängelibeck, Vatter Royal, Eichenberger, Bread à Porter und anderen Bäckereien vor den Augen freudiger Kunden wieder. Denn die 60 Kisten pro Tag bieten so einige Überraschungen, wie zum Beispiel die Pralinés, die mit Staunen ausgepackt werden. Heute lachen mich ein Quinoa-Salat (3.-) und ein Käsesandwich (2.-) an – das Vollkornbrot (2.-) kaufe ich für später. Dem Salat muss zwar mit Salz und Balsamico etwas nachgeholfen werden, aber da kann die Äss-Bar ja nichts dafür. Bei diesen Preisen und dem Engagement der Betreiber werden kleine Genuss-Makel gerne übersehen, denn das Schöne an der Sache ist die Gewissheit, dass man mit dem Kauf einen kleinen Beitrag gegen die Lebensmittelverschwendung leistet.

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Franziska Güder, Geo Taglioni und Simon Weidmann hatten Anfang 2014 den Entschluss gefasst, ein gemeinsames Projekt an der Schnittstelle Lebensmittel, Ernährung und Nachhaltigkeit zu lancieren. Zusammen mit der Oekonomischen und Gemeinnützigen Gesellschaft des Kantons Bern (OGG) haben die drei Jungunternehmer das Zürcher Konzept der Äss-Bar nach Bern geholt. Damit wollen sie auf die Verschwendung von wertvollen Ressourcen aufmerksam machen und gleichzeitig ein selbsttragendes Geschäft betreiben.

Trotzdem bleibt zu hinterfragen, ob ein solches Konzept längerfristig die Überproduktion verhindern kann. Denn wenn Bäckereien die Ware einfach abgeben können, ohne sich direkt mit der Verschwendung auseinandersetzen zu müssen, wieso sollten sie dann weniger produzieren? Für Franziska muss diese Problematik aus verschiedenen Perspektiven angegangen werden: Das Umdenken müsse nicht nur bei den Bäckereien stattfinden, sondern vor allem auf Kundenseite. «Solange die KonsumentInnen erwarten, dass sie bis 5 Minuten vor Ladenschluss das gesamte Sortiment haben können, wird es immer eine Überproduktion von ca. 10% bei den Bäckereien geben». Die Äss-Bar springe hier in die Lücke, indem sie zumindest verhindere, dass Essen entsorgt werde. Gleichzeitig hoffen sie, dass der Anspruch auf Seite der KonsumentInnen kleiner wird, wenn diese merken, dass sie auch zur Verursachung des Problems beitragen.

Die Mission der Äss-Bar sei erfüllt, wenn die Vitrinen «leer bleiben und nicht, wenn wir sie immer mehr füllen können». So setzen sich auch alle MitarbeiterInnen mit Überzeugung für die Sache ein und sorgen dafür, dass keine Lebensmittel im Müll landen. Wenn, dann höchstens für Biogas und Tierfutter. Die ca. 20% der Backwaren, die bis am Abend übrig bleiben, werden aber zuerst ans Asylzentrum Viktoria und an die Berner Quartier-Kühlschränke («Bern isst Bern») verteilt, bevor sie weiterverarbeitet werden. 

Am Ende des Tages ist die Vitrine rübis und stübis geleert und parat für den nächsten Einsatz gegen Food Waste. Im Gegensatz zum Schlaraffenland wird hier der Überfluss nicht zelebriert, sondern geschickt reduziert.

Infos

Äss-Bar (facebook)
Marktgasse 19, 3011 Bern (Map)
031 558 27 72

Öffnungszeiten:
Mo-Fr: 09:00 - 19:00
Sa 09:00-17:00

Zibelemärit-Aktion am Montag, 23. November: Zwiebeln-Gemüsesuppe und Glühmost ab 6:00 Uhr!

Mo 23.11. 2015