Zurück

Ausgabe #1: „Halt so illegal und so“

Es gibt ja auch in der heutigen Zeit noch Dinge, auf die der gemeine Berner keinen Einfluss hat. Das Wetter etwa, der Ölpreis, die Steuererklärung, das Trikotdesign bei YB und natürlich das Programm am Gurtenfestival. Über alles mag man sich bisweilen fürchterlich aufregen, alles ist irgendwie nicht sonderlich wichtig. Der Mensch auf jeden Fall, er ist in seiner mitteleuropäischen, konsumgesättigten Ausgabe ziemlich einheitlich geartet, und so heisst es auch in der deutschen Hauptstadt gern: zu heiss, zu teuer, zu langweilig, zu viel, zu öde, zu weit – zu legal. Zu legal? Ja, tatsächlich, so gehört in Berlin, Tag 3 der anspruchsvollen Wohnungssuche, ausgedehnter Bierkonsum in netter Gesellschaft am Fluss zwecks Erholung. Berliner 1: „Gefällt mir immer besser hier, läuft.“ Berliner 2: „Ja, und Musik is gar nich so leise wie ich gedacht hab.“ Berliner 1: „Zum Glück hats geklappt mit Bewilligung und so“. Berliner 2: „Waaaat, dit is legal??? Ick bin raus.“

Der Gast aus der beschaulicheren der beiden Bärenstädte stutzte ja schon auf der Anfahrt, die er zwecks eingehender Betrachtung auf zwei Rädern vornahm, etwas weiter südlich, in Leipzig. Die Gastgeberin schwärmt beim Katerfrühstück von einem genialen Fest, mitten im Stadtwald, ziemlich dunkel halt, aber offenbar grosse Klasse. War letzte Nacht nicht Regen und Wind? „Ja, schon, aber eben: voll geil!“ Gabs was zu trinken? „Nee, aber war echt total cool.“ Also was denn genau? „Na, halt so illegal und so.“

Naja, eine Party nach ihrer Bewilligung zu bewerten ist in etwa so, als würden die Young Boys bei einem Titel wählerisch sein. Nein, den Cup wollen wir jetzt echt nicht gewinnen, wenn, dann die Meisterschaft, Cup, voll uncool, brauchts ja nur sechs Siege für. Würde bei YB ja niemandem in den Sinn kommen. Auch wenn´s die letzten Jahre…ach quatsch!

Nun, ich schweife ab. Auf jeden Fall herrlich, so unbehelligt zu nörgeln und zu mäkeln und zu lästern. In Berlin liest das eh keine Sau. Hmmm…ist der Bewegungsmelder legal?


Zur Kolumne

Moritz Marthaler, Berner Sportjournalist, entdeckt die deutsche Metropole Berlin für sich. Gleichzeitig schielt er auf das Geschehen in der Bundeshauptstadt Bern, vor allem auf den ambitionierten, aber öfter erfolglosen Berner Grossklub BSC Young Boys. Die Resultate von YB bilden den Ausgangspunkt für eine Annäherung und Schwenker auf Berlin und seine unendlichen Ausgehmöglichkeiten, zusammengewürfelte Bevölkerung, launische Zeitgenossen, tausend Eigenheiten.


 

So 26.07. 2015